Geschichte Raum geben

Frauen als Opfer der t4

»Still, stumpf, beschäftigt mit Kartoffelschälen,
verlegt«*

  • Einleitung
  • Leichte Sprache
  • Audio

Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen begann der Massenmord an Tausenden polnischen Anstaltsinsassen zunächst durch Erschießungen, ab Oktober 1939 durch Vergasungen. In der Kasematte 17 des Fort VII des KZ Posen wurden durch das Sonderkommando Lange unter dem Einsatz von Kohlenmonoxid erste »Probe«-Vergasungen von Patientinnen und Patienten der Anstalten Tiegenhof und Treskau durchgeführt. Vertreter des Kriminaltechnischen Instituts der Sicherheitspolizei Berlin und Reichsführer SS Heinrich Himmler ließen sich diese »Posener Experimente« vorführen und wurden überzeugt, diese Methode auch bei der beabsichtigten Ermordung von Patientinnen und Patienten auf dem Reichsgebiet anzuwenden.

Rückwirkend zum 1. September 1939 ermächtigte Adolf Hitler daraufhin ausgewählte Ärzte, den Gnadentod gewähren zu dürfen, um die bereits vollstreckten und die folgenden Patientenmorde in Tötungsanstalten zu scheinlegitimieren. Im Oktober 1939 wurde die seit August 1939 bestehende Meldepflicht für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen auf Erwachsene ausgedehnt. Bereits Mitte Januar 1940 nahm die Anstalt Grafeneck, im Februar auch die Anstalt Brandenburg, Tötungen in Gaskammern vor. In Grafeneck und in Brandenburg wurden innerhalb weniger Monate rund 20.000 Patientinnen und Patienten ermordet. Bis Januar 1941 nahmen auch die Anstalten Hartheim, Pirna-Sonnenstein, Bernburg und Hadamar Tötungen auf.

Die Deportation von Patientinnen und Patienten in die Tötungsanstalten wurde als »planwirtschaftliche Verlegung« bezeichnet und durch die Einbeziehung sogenannter »Zwischenanstalten« verschleiert. Bei der Verlegung kamen Reichspost-Busse zum Einsatz, die zu Beginn der »Aktion T4« noch keine graue Tarnfarbe trugen.

Eine Villa in der Tiergartenstraße 4 war zwischen 1940 und 1945 die Verwaltungszentrale und Namensgeberin der »Aktion T4«. Dort wurden die Meldungen begutachtet und die Verlegungen koordiniert, dort saß die Personal- und Wirtschaftsabteilung. Das Gebäude wurde im Frühjahr 1945 durch eine Bombe nahezu vollständig zerstört.

Insgesamt wurden in sechs Anstalten rund 70.000 Anstaltsinsassen aus dem deutschen Reichsgebiet ermordet. Der als »geheime Reichssache« gehandhabte Massenmord hörte auch nach seinem offiziellen Ende im August 1941 nicht auf. Noch bis kurz vor Kriegsende wurden Psychiatrieinsassen »planwirtschaftlich verlegt« und getötet. Dieser zweiten Phase der »Euthanasie«, in der mit Medikamenten und durch gezielte Mangelversorgung gemordet wurde, fielen etwa 200.000 Menschen zum Opfer.

Die Angehörigen wurden in der Regel erst dann über die »planwirtschaftliche Verlegung« informiert, wenn die Patientinnen und Patienten bereits tot waren. Der ihnen mitgeteilte, offizielle Todestag wurde gefälscht und nach hinten verlegt, um noch Pflegegeld zwischen tatsächlichem Todestag und offiziellem Sterbedatum abrechnen zu können. Hierdurch finanzierte sich die »Aktion T4« und wurden Personal- und Sachkosten bestritten.

Frauen waren zwar als Psychiaterinnen und Pflegerinnen wesentlich an der Tötung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen beteiligt, sie waren aber auch in besonderem Maße betroffen. Frauen trugen ein größeres Risiko als Männer, zu Opfern der »Aktion T4« zu werden. Ihre Überlebenschance war geringer. Diese besondere Situation von Psychiatriepatientinnen will diese Ausstellung vor dem Hintergrund aktueller Entrechtungserfahrungen von Frauen in den Blick rücken.

*Krankenakte von Dorothea Elisabeth Kofahl. BArch R179 Nr. 79.
Foto: Stiftung Liebenau


Deutschland wird zwischen 1933 und 1945 von den National-Sozialisten (Nazis) geleitet.
Die Nazis wollen die Welt-Herrschaft.
Am 1. September 1939 beginnt der Zweite Welt-Krieg.
Deutsche Soldaten überfallen Polen.
Das ist ein Land neben Deutschland.
Die Soldaten ermorden dort die Patienten aus Anstalten.
Sie wollen die Anstalten als Kranken-Häuser für ihre eigenen verletzten Soldaten.
Die Soldaten erschießen die Patienten.
Es sind alte Menschen, kranke Menschen und Kinder mit Behinderungen.
Das finden viele Soldaten nicht gut.
Deswegen entscheidet ein Nazi: Die Patienten sollen mit Gas ermordet werden.
Das Erschießen soll aufhören.

Mit dem Gas können viele Patienten in kurzer Zeit ermordet werden.
Das finden die Nazis gut.
Sie entscheiden: Das soll auch mit deutschen Patienten passieren.

Alle deutschen Patienten müssen gemeldet werden.
Die Namen werden in einem Amt in Berlin gesammelt.
Menschen mit Behinderungen gehören dazu.
Und Menschen mit einer seelischen Erkrankung.
Und jeder, der länger als 5 Jahre in einem Heim oder einem Kranken-Haus ist.
Sie sollen mit Gas ermordet werden.
Weil ihre Behandlung im Kranken-Haus und beim Arzt zu teuer ist.
Oder weil das Heim für verwundete Soldaten gebraucht wird.
Aber vor allem weil die Nazis denken: Diese Menschen sind nichts wert.

In 6 Anstalten werden im Keller Gas-Kammern eingebaut.
Die Menschen sollen dort ermordet werden.
Deshalb heißen diese Anstalten Tötungs-Anstalten.
Aus ganz Deutschland werden die Patienten zu diesen Tötungs-Anstalten gebracht.
Mit Zügen und mit Bussen.
Insgesamt sind es im Jahr 1940 und im Jahr 1941 über 70.000 Menschen.
Die meisten sind Erwachsene.
Das wird in der Stadt Berlin bestimmt und geplant.
In der Tier-Garten-Straße 4.
Deswegen heißt der Mord an den 70.000 Patienten »Aktion T4«.
Die »Aktion T4« ist streng geheim.
Niemand darf davon erfahren.

Im August 1941 endet der Patienten-Mord in den Tötungs-Anstalten.
Der Mord bleibt nämlich nicht geheim.
Viele Menschen in Deutschland bekommen die Tötungen mit.
Sie sagen: Nein!
Auch die Kirche sagt: Nein!
In der Bibel steht: Du sollst nicht töten.
Auch einzelne Politiker sagen: Nein!
Denn es ist verboten zu töten.

Die Nazis machen trotzdem weiter.
Sie töten noch geheimer.
Und sie töten in vielen weiteren Anstalten in ganz Deutschland.
Sie ermorden die Menschen mit Behinderungen und seelischen Erkrankungen mit Medikamenten.
Sie geben ihnen zu wenig Essen.
200.000 Menschen werden vergiftet oder verhungern.

Nach dem Tod erhalten die Familien Briefe.
In den Briefen steht: Der Mensch ist an einer Krankheit gestorben.
Aber das ist eine Lüge.
Auch beim Todes-Tag wird gelogen.
Die Familie soll nicht wissen, was wirklich passiert ist.
Und für den Toten bekommen die Nazis in Berlin noch Pflege-Geld.
Damit wird die ganze »Aktion T4« bezahlt.

Viele Frauen machen als Ärztinnen oder Pflegerinnen bei der Ermordung mit.
Aber es gibt auch sehr viele Frauen unter den Opfern.
Es sind mehr Frauen als Männer in der »Aktion T4« ermordet worden.
Frauen haben seltener überlebt.
Darum gibt es diese Ausstellung über die Frauen als Opfer der »Aktion T4«.

 

DIMENSION

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KRANKHEIT

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WOHER?

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FAMILIE

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EHE

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MUTTERSCHAFT

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MORD

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ENTKOMMEN

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GEDENKEN

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