Das Erbgesundheitsobergericht war in zweiter und letzter Instanz für gerichtliche Entscheidungen über die Anordnung der Unfruchtbarmachung zuständig. Die Betroffenen waren praktisch rechtlos. Anfänglich wurden an einem Beratungstag durchschnittlich 50 Fälle ohne Anhörung der Betroffenen und ernsthafte Vorbereitung durch die Beisitzer abschließend beraten und entschieden. Später fanden die Anhörungen in der Regel an den jeweiligen Gerichtsstandorten der Erbgesundheitsgerichte statt.
In Bezug auf die Lüneburger Fälle sind mindestens 187 Fälle bekannt, die durch das Erbgesundheitsobergericht Celle entschieden wurden. Rund 6,6 Prozent der zugrundeliegenden Einsprüche gingen nicht von den Betroffenen, sondern vom Gesundheitsamt Lüneburg aus, das den Ablehnungen der Unfruchtbarmachungen durch das Erbgesundheitsgericht Lüneburg widersprach.
Besonders unangenehm musste aus richterlicher Sicht berühren, dass die Verfahren häufig ohne Neubegutachtungen und ohne Aktenzugang seitens der Betroffenen durchgeführt wurden, sodass sich selbst der nationalsozialistische Rechtswahrer-Bund veranlasst sah, verfahrensrechtliche Minimalstandards einzufordern. Man erwartete unter anderem zumindest das Recht Betroffener auf Akteneinsicht. Adolf von Garßen, geboren am 30. Oktober 1885 in Goslar, von 1932 bis 1945 Präsident des Oberlandesgerichts Celle, wollte in dieser Angelegenheit offenbar keine Partei ergreifen und wandte sich deshalb mit der Bitte um Weisung an das Reichsjustizministerium.
Im Dezember 1936 empfahl das Reichsjustizministerium dem Celler Oberlandesgerichtspräsidenten von Garßen, den Rechtsanwälten der von Verfahren vor dem Erbgesundheitsobergericht Betroffenen bei entsprechender Prüfung und Belehrung Akteneinsicht zu gewähren. Von Garßen starb 1946 in einem Internierungslager in Vilvoorde in Brüssel.
Das für die Praxis des Vollzugs des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« maßgebliche Erbgesundheitsobergericht bei dem Oberlandesgericht Celle bewegte sich bis 1935 im Rahmen anerkannter Auslegungsregeln, indem es an der durch das Gesetz vorgegebenen medizinischen Begrifflichkeit festhielt und abweichendes soziales Verhalten allein als Rechtfertigung für den Zwangseingriff ablehnte.
1936 jedoch findet sich von da an dann auch beim Erbgesundheitsobergericht Celle die Anerkennung einer den Krankheitsbegriff überwindenden Kategorie des »sozialen Schwachsinns«. Von da an war es kein weiter Weg mehr zur »Lösung« der sogenannten Asozialen-Frage, an der sich das Erbgesundheitsobergericht Celle dann rege beteiligte. Darüber, wie mit sozialen Außenseitern, insbesondere Frauen mit »unstetem Lebenswandel« und Männer mit krimineller Vergangenheit, zu verfahren war, hatte nämlich zunächst keine Einigkeit geherrscht. Am Ende stand jedoch die endgültige Abkehr vom medizinischen Krankheitsbegriff.
Eines der letzten Verfahren, das vom Erbgesundheitsobergericht Celle entschieden wurde, endete im Januar 1944. Das Celler Gericht lehnte den Einspruch der 29-jährigen Elisabeth Zemke ab. Im späteren Entschädigungsverfahren, das sie wegen dieses Beschlusses führte, wurde ihr lediglich erklärt, dass ihre Unfruchtbarmachung nicht rückgängig gemacht werden könne.
Dieser Abschnitt wurde für eine andere Ausstellung geschrieben.
Er wurde etwas verändert und wieder verwendet.
Das Erb-Gesundheits-Gericht entscheidet:
Der Mensch muss sterilisiert werden.
Die Entscheidung heißt Urteil.
Manche Menschen wehren sich gegen das Urteil.
Sie wollen nicht sterilisiert werden.
Sie legen Ein-Spruch ein.
Das heißt sie sagen: Nein.
Dann gibt es eine neue Verhandlung.
Vor dem Ober-Gericht in Celle.
Der Ein-Spruch ist nur selten erfolg-reich.
Es gibt fast 200 Verhandlungen vor dem Ober-Gericht in Celle.
Manchmal sagt das Ober-Gericht in Celle:
Die Menschen haben recht.
Sie sollen nicht operiert werden.
Aber meistens sagt das Ober-Gericht:
Die Menschen sollen sterilisiert werden.
Ab 1936 entscheidet das Ober-Gericht:
Auch arme Menschen dürfen sterilisiert werden.
Oder nicht verheiratete Menschen mit Kindern.
Und Menschen die nicht so waren wie die Nazis es wollten.
der beim Erbgesundheitsobergericht Celle verhandelten Einsprüche endete für die Betroffenen mit einer endgültigen Ablehnung der Unfruchtbarmachung. Die meisten Urteile in zweiter Instanz bestätigten das Urteil in erster Instanz.
Beschluss des Erbgesundheitsobergerichtes Celle über Thea Marienberg vom 16.7.1940, drei Seiten.
NLA Hannover Hann. 138 Lüneburg Acc. 102/88 Nr. 208.
Nur ganz wenige Urteile wurden geändert.
Meistens entschied das Ober-Gericht genauso wie das Gericht in Lüneburg.
Das ist ein Urteil des Ober-Gerichtes.
Es ist das Urteil zu Thea Marienberg.
Darin steht:
Das Gericht in Lüneburg hat recht.
Thea darf unfruchtbar gemacht werden.
Das Urteil ist vom 16. Juli 1940.
Danach wurde Thea operiert.
des Erbgesundheitsobergerichtes Celle zwischen 1934 und 1945 in Bezug auf Verfahren des Lüneburger Erbgesundheitsgerichtes.
Das sind die Urteile des Ober-Gerichtes.
Sie wurden 1934 bis 1945 entschieden.
In jedem Jahr gab es so und so viele Urteile.
Die Zahl kann abgelesen werden.
Das letzte Urteil wurde im Jahr 1944 entschieden.