Geschichte Raum geben

Die Geschwister

Anna und August Golla

Elke Severon mithilfe von Lisa-Sophie Hoyer, Morteza S., Angelina Scharbau, Sara Sölter und Roman Wulff

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August (geboren 1911) wuchs als drittes, Anna (geboren 1918) als fünftes von insgesamt sechs Kindern der Eltern Sebastian und Christine Golla in Wesermünde (heute Bremerhaven) auf. Vier Geschwister von Anna und August überlebten den Krieg und starben in den 1970er-Jahren. Sie sollen nur sehr selten über August und Anna gesprochen haben. Die Geschichte wurde nach ihrem Tod von den Töchtern des jüngsten Bruders dokumentiert.

Sebastian und Christina Golla haben sechs Kinder.
August ist das dritte Kind.
Er ist im Jahr 1911 geboren.

Anna ist das fünfte Kind.
Sie ist im Jahr 1918 geboren.

Vier Geschwister über-leben den Krieg.
Sie sterben in den 1970er Jahren.
Ihre Töchter schreiben die Geschichte von August und Anna auf.

Christine und Sebastian Golla,

Wesermünde, ca. 1905.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Foto.
Auf dem Foto sind Sebastian und Christine Golla.
Es sind die Eltern von August und Anna Golla.
Es ist ungefähr aus dem Jahr 1905.

Anna Golla

bei ihrer Erstkommunion, ca. 1929.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Foto von Anna Golla.
Sie hat Erst-Kommunion.
Das ist ein wichtiges Fest in der Kirche.
Das Foto ist ungefähr aus dem Jahr 1929.

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August Golla arbeitete als Netzmacher. Im November 1936 hatte er einen Weinkrampf und erzählte irritierende Dinge. Wegen seines sonderbaren Verhaltens brachte man ihn in ein Krankenhaus. Von dort wurde er in die Lüneburger Psychiatrie überwiesen. Dort verbrachte er die folgenden vier Jahre. In dieser Zeit hielt die Mutter regen Kontakt und war sehr um das Wohl ihres Sohnes besorgt.

August Golla ist Netz-Macher.
Er fängt bei der Arbeit an zu weinen.
Er sagt sonder-bare Sachen.
Darum kommt er in ein Kranken-Haus.
Von dort kommt er in die Lüneburger Anstalt.
Das ist im Jahr 1936.

Er bleibt vier Jahre in der Anstalt.
Seine Mutter schreibt ihm viele Briefe.
Sie macht sich Sorgen um August.

August Golla

(rechts) im Hafen von Wesermünde (Bremerhaven), Postkarte vom 1.2.1928.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist eine Post-Karte.
Sie ist vom 1. Februar 1928.
Darauf ist ein Foto von August Golla.
Er steht im Hafen von Bremerhaven.
August steht rechts.

Christine

wollte ihren Sohn am 1. Weihnachtsfeiertag besuchen, dies wurde jedoch von Max Bräuner mit der Begründung abgelehnt, es sei keine Besserung eingetreten, ein Besuch habe wenig Zweck.

Vermerk ohne Datum | Schreiben an das Städtische Wohlfahrtsamt Wesermünde vom 22.12.1936.

BArch R-179, Nr. 26905.

Christine will ihren Sohn besuchen.
Sie will mit ihm Weihnachten feiern.
Aber der Ärztliche Direktor sagt:
Nein.
Der Ärztliche Direktor sagt:
August geht es nicht besser.
Er darf keinen Besuch haben.
Auch nicht zu Weihnachten.
Das ist im Jahr 1936.

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Christine Golla schrieb eine Reihe von Briefen an die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Der erste noch erhaltene Brief stammt vom Juli 1937, eine letzte Postkarte (ein Gruß zu Pfingsten) erreichte die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg im Mai 1940.

August Golla gehörte zu den ersten rund 120 männlichen Patienten, die von Lüneburg direkt in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein »planwirtschaftlich verlegt« und dort vergast wurden. Wahrscheinlich wurde er noch am Tag seiner Ankunft am 7. März 1941 ermordet.

Christine schreibt viele Briefe.
Sie schickt sie in die Anstalt in Lüneburg.
Diese Briefe gibt es noch.
Der erste Brief ist vom Juli 1937.
Die letzte Post-Karte ist vom Mai 1940.

August bleibt krank.
Darum wird er in eine Tötungs-Anstalt verlegt.
Er kommt nach Pirna-Sonnen-Stein.
Am 7. März 1941 kommt er an.
Er ist einer von ein-hundert-zwanzig Patienten aus Lüneburg.
August und die anderen Männer werden dort ermordet.
Sie ersticken in einer Gas-Kammer.
Sie sind Opfer der »Aktion T4«.

Die Familie Golla

war streng katholisch. August stand der KPD nahe und hatte mit der Kirche gebrochen. Dies führte immer wieder zu Konflikten zwischen Vater und Sohn. 



Pfingstgruß von Christine Golla an ihren Sohn August, 8.5.1940.

BArch R-179, Nr. 26905.

Die Familie Golla ist sehr gläubig.
Aber August geht nicht mehr in die Kirche.
Darüber streiten sich August und sein Vater.

Das ist eine Post-Karte mit einem Pfingst-Gruß.
Von Christine an ihren Sohn August.
Die Karte ist vom 8. Mai 1940.

Auszug

aus der Krankengeschichte von August Golla.

BArch R-179, Nr. 26905.

Das ist die Kranken-Geschichte von August Golla.

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Augusts Schwester Anna Golla erkrankt zwei Jahre später als ihr Bruder. Zuvor hatte sie als Hausgehilfin gearbeitet.

Im Februar 1943 wurde sie ins Wesermünder Krankenhaus aufgenommen. Eine Woche später lief sie fort. Einen Monat später wurde sie in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen.

Da sich Anna der Arbeitstherapie entzog und Widerspruch leistete, galt sie als unbequeme Patientin. Sie blieb nur ein halbes Jahr in der Lüneburger Anstalt. Am 8. September 1943 wurde sie mit rund 300 anderen Patientinnen und Patienten in die Tötungsanstalt Pfafferode (Mühlhausen, Thüringen) verlegt.

Zwei Jahre nach ihrem Bruder August wird auch Anna krank.
Davor arbeitet Anna als Haus-Gehilfin.
Im Februar 1943 kommt sie in ein Kranken-Haus.
Nach einer Woche läuft sie weg.
Nach einem Monat kommt sie in die Lüneburger Anstalt.

In der Anstalt will Anna nicht arbeiten.
Sie tut oft nicht was sie soll.
Sie bleibt nur ein halbes Jahr in der Lüneburger Anstalt.
Am 8. September 1943 kommt sie in die Tötungs-Anstalt Pfafferode.
Zusammen mit drei-hundert anderen Patienten.

Anna Golla,

ca. 1938.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Foto von Anna Golla.
Das Foto ist aus dem Jahr 1938.

Schreiben

an Christine Golla, 29.10.1943.

Kopie Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Brief an Christine Golla.
Christine ist die Mutter von August und Anna.
Der Brief ist vom 29. Oktober 1943.

»[…] Wir Eltern von Anna Golla möchten bitten um Auskunft über das Befinden unserer Tochter da wir uns auch Sorgen machen in unseren alten Tagen […] da wir noch immer Hoffnung auf sie haben, daß sie wieder gesund wird und weil uns die Hoffnung ist sie zu Gesicht zu bekommen.«

Schreiben

von Christine Golla, 1.9.1944.

Kopie Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Brief von Christine Golla.
Christine ist die Mutter von August und Anna.
Der Brief ist vom 1. September 1944.

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Christine schrieb auch ihrer Tochter Anna eine Reihe von Briefen und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Der letzte Brief erreichte Anna einen Monat vor ihrem Tod. Die Antwort auf Christines Brief fiel pessimistisch aus. Es sei keine Besserung eingetreten, das körperliche Befinden habe sich verschlechtert:

Christine schreibt viele Briefe an Anna.
Sie fragt:
Wie geht es dir?
Was machst du?

Der letzte Brief kommt einen Monat bevor Anna stirbt.
Die Anstalt antwortet.
Sie sagen:
Anna geht es schlecht.
Anna ist schwach.
Sie hat keine Kraft.
Sie kann nicht geheilt werden.

»Die Kranke ist sehr matt geworden. […] Bei dem schlechten Körperzustand können Heilmaßnahmen auch nicht durchgeführt werden.«

Antwort der Anstalt Pfafferode, 6.9.1944.

Kopie Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Brief.
Es ist die Antwort aus Pfafferode.
Darin steht:
Anna geht es schlecht.
Anna ist schwach.
Sie hat keine Kraft.
Sie kann nicht geheilt werden.
Der Brief ist vom 6. September 1944.

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Anna starb am 11. Oktober 1944.

Anna Golla stirbt am 11. Oktober 1944.

Anna Golla,

Sterbemitteilung v. 11.10.1944 | Telegramm, v. 14.10.1944.

Kopie Privatbesitz Angelika Beltz.

Das ist ein Tele-Gramm.
Das ist ein eiliger Brief.
Das Tele-Gramm kommt am 14. Oktober 1944.
Darin steht:
Anna ist am 11. Oktober 1944 gestorben.